Was sind Beautyfilter und wie funktionieren sie?

Ein Beautyfilter ist eine Funktion, die durch die Nutzung einer App ausgeführt werden kann. Sie ist dafür da, eine Fotografie oder ein Video mit einem Filter zu belegen, der sich über den Körper der abgebildeten Person (oder Personen) legt und hierdurch das äussere Erscheinungsbild verändert. Dabei werden in den meisten Fällen einzelne primäre Aspekte des Aussehens der Person beibehalten, z.B. Augen- und Haarfarbe, andere aber manipuliert. Die Nutzer_innen solcher Filter müssen hierfür eine Fotografie oder ein Video entweder von ihrem Smartphone o.ä. durch die App oder den Browser auf einen Server hochladen oder direkt in der Anwendung von sich aufnehmen.

Facetune Presskit

Demonstration der App Facetune, Bild: Facetune

Beautyfilter basieren auf maschinellem Lernen.[1] Durch die Deep-Learning-Technik wird ein künstliches neuronales Netz trainiert, das ähnlich den Strukturen des menschlichen Gehirns auf Grundlage von Bild-Datensätzen Informationen so verarbeitet, dass immer wieder neue Verknüpfungen im Netz entstehen. Hierdurch kann die Maschine ‹lernen› und Entscheidungen treffen, hinterfragen und gegebenenfalls ändern.[2] Wenn also ein bestimmter Beautyfilter ausgewählt wird, dann werden die programmierten Merkmale, z.B. ein ebenmässiger Teint durch das Blurring (Weichzeichnen) von Hautpartien in der Fotografie, auf das von der/dem Nutzer_in ausgesuchte Bild einer Person angewendet. Das passiert aber erst, nachdem die Maschine das Gesicht und/oder den Körper auf Grundlage einer Abgleichung von Datensätzen anderer Fotografien ‹erkannt› hat. Ein Beautyfilter muss folglich erst einmal die Konturen, Proportionen und einzelnen Attribute des abgebildeten Menschen nachvollziehen können, bevor er eine standardisierte Filterfunktion passgenau über eine Fotografie legen kann.[3]

Wer bietet Beautyfilter an?

Die bekanntesten Apps mit Beautyfiltern sind Aviary, Facetune, Perfect365 und Snapseed.[4] Auch viele Smartphone-Anbieter, wie Samsung, Huawei, Xiao Mi und Apple integrieren standardmässig Beautyfilter in ihre Kameras.[5]

Die erfolgreichste Fotobearbeitungs-App mit Beautyfiltern ist Facetune. Sie wird von dem Unternehmen Lighttricks angeboten und erschien 2013 erstmalig auf dem Markt.[6] Mit ihrer Weiterentwicklung im Jahr 2016 hatte sie internationalen Erfolg: Über 50 Millionen Downloads machten sie 2017 zu der beliebtesten Bezahl-App im App Store (Apple).[7]

Die Firma Spark AR entwickelt einen grossen Anteil an Beautyfiltern (bzw. gibt die Entwicklung in Auftrag). Seit August 2019 können auch Privatpersonen und Firmen bei ihr individuelle Filter herstellen lassen.[8] Prominente machen dies schon länger: Die Instagramerin und Celebrity KylieJenner entwickelte zu ihrer Make-up-Marke 2018 einen Beautyfilter, mit dem die Nutzer_innen die verschiedenen Farbnuancen ihres beworbenen Lippenstiftes direkt an sich selbst testen können.[9]

Facetune

Vorher/Nachher, Bild: Facetune

Welche Daten benötigen Beautyfilter von uns und was passiert mit ihnen nach der Anwendung?

Eine Fotografie oder ein Video, auf die Beautyfilter angewendet werden können, dienen diesen als Grundlage. Auch benötigen Beautyfilter Bilddatenbanken, um das hochgeladene Bild ‹erkennen› und mit anderen Bildern abgleichen zu können, sodass der Filter korrekt angewendet wird. Die Filter selber sind aber hinsichtlich des Datenschutzes nicht bedenklich – die Apps und dahinterstehenden Unternehmen vielleicht aber schon. So greifen manche Apps auf die Kontakte im Hintergrund zu. Das kann sogar ohne Einwilligung passieren.[10] Andere Apps lassen sich erst gar nicht auf dem Smartphone installieren, wenn man ihnen nicht Berechtigungen für bestimmte Bereiche im Smartphone – Medienarchive, Kontakte, Mikrofon – erteilt. Durch die Freigabe können dann Daten von den Unternehmen für eigene Zwecke gesammelt oder sogar an Dritte weiterverkauft werden.[11] Interessant sind diese Daten für Anbieter_innen insbesondere für Werbezwecke. Manche speisen die Daten aber auch in Bilddatenbanken ein, die beispielsweise für die Gesichtserkennung notwendig sind. Besonders gefährlich wird es dann, wenn sensible Daten durch integrierte Schadsoftware abgegriffen werden, wie z.B. Online-Banking-Daten. So etwas passiert insbesondere, wenn man Apps ausserhalb authentifizierter App-Stores, wie Google Play Store (Android) oder App Store (Apple), herunterlädt. Die Daten werden auch genutzt, um das Kaufverhalten der Nutzer_innen zu erfassen und zu beeinflussen. So ist eine andere Variante, um mit Beautyfiltern Geld zu verdienen, die gezielte Platzierung von Werbung vor, während und nach der Anwendung eines Beautyfilters.[12]

Inwiefern beeinflussen Beautyfilter unser Schönheitsideal?

Die Anwendung von Beautyfiltern verändert das äussere Erscheinungsbild von Menschen auf Fotografien und Videos. Die Filter, die immer wieder dieselben Merkmale, z.B. eine kleinere Nase und vollere Lippen, auf die verschiedenen Gesichter der Nutzer_innen auflegen, gleichen die äusserlichen Merkmale der Menschen vermeintlich an. Dieser Umstand wird vom Menschen als sozial agierendes Wesen oftmals begrüsst, da ein ähnliches Erscheinungsbild das Gemeinschaftsgefühl stärken kann. Konformität heisst dann also Zugehörigkeit. Wenn es demnach möglich ist, Beautyfilter auf das eigene Gesicht anzuwenden, die auf denselben Plattformen auch von Menschen genutzt werden, die ein hohes Ansehen haben, so kann die Nutzung solcher Filter attraktiv erscheinen, da man sich seinen Idolen nahe fühlt. Einmal mehr wird dieser Effekt dadurch erzielt, dass die Filter-Bilder auf Social-Media-Plattformen, wie Instagram und Facebook, und Messenger-Diensten, wie Snapchat, hochgeladen, veröffentlicht und geteilt werden.[13]

Die im Internet und auf Plattformen zirkulierenden Filter-Bilder schulen den Blick darauf, diese als ‹authentische› Bilder anzunehmen. Das birgt die Gefahr, dass sich hierdurch die Nutzer_innen an das angepasste, konforme Aussehen gewöhnen, was wiederum die Selbstwahrnehmung und Wahrnehmung anderer beeinflussen könnte. Dabei kann die Wahrnehmung oftmals nicht zwischen nicht bearbeiteten und retuschierten Fotos (mit aufgelegten Filtern) unterscheiden. Dadurch können Stereotype entstehen, die durch die immer wieder genutzten Filter die Wahrnehmung beeinflussen, sodass die Filter-Merkmale selbst als ‹schön› empfunden werden.[14] Die Merkmale selber wurden jedoch nicht erst in Zeiten von Beautyfiltern erfunden. Reine Haut und grosse Augen waren auch schon vorher ein Zeichen von Schönheit. Nun aber benötigt es nicht mehr professionelle Grafiker_innen und Fotograf_innen, die in komplizierten Bildbearbeitungsprogrammen diese Merkmale in einem fotografierten Gesicht anpassen. Der Beautyfilter ermöglicht es jeder/jedem ein Merkmal mit einem Klick auf das eigene Gesicht zu legen. Durch die Häufigkeit solcher Filter-Bilder können die transportierten Schönheitsbilder verstärkt werden. Andersherum nehmen aber nicht nur bestehende Schönheitsideale Einfluss auf die Ausgestaltung der Beautyfilter: Die Beautyfilter nehmen auch Einfluss auf die reale Schönheitsindustrie. So gibt es Make-up-Produkte, die die Funktionen der Beautyfilter imitieren, wie beispielsweise den Freckle-Filter, der einem Sommersprossen ins Gesicht zaubert. Er inspirierte ein Unternehmen für Schönheitsprodukte dazu einen Make-up-Stift zu entwickeln, durch den man Sommersprossen ins reale Gesicht malen kann.[15]

Instagram: @iammelwells

Bloggerin Melissa Wells kritisiert auf Instagram den Technologiekonzern Samsung für die Integration eines automatischen Beautyfilters in die Smartphone-Kamera. Bild: Melissa Wells, Instagram @iammelwells

Beautyfilter können so gesehen gleich in zweifacher Hinsicht als neoliberales Produkt verstanden werden, denn sie beeinflussen (1) das Kaufverhalten und die Produktentwicklung. Gleichzeitig können diese Dynamiken, die durch Beautyfilter verstärkt werden können, manchmal auch (2) den Körper im Internet als Produkt gebrauchen. Er ist dann eine Repräsentationsfläche für bestimmte Schönheitsideale und Körperbilder und seine Zurschaustellung wird genutzt, um an Likes, Kommentare und Follower und, schlussendlich, Anerkennung zu gelangen.

Die vorangegangenen Ausführungen machen deutlich: Auch Beautyfilter fördern und prägen Schönheitsideale.

Es gibt aber auch Gegenbewegungen zu diesem Trend. Die Face-Positivity- und Body-Positivity-Bewegungen versuchen starren Schönheitsidealen, die Stereotypen lancieren, dadurch entgegenzuwirken, dass sie Fotos und Videos ohne Filter in sozialen Netzwerken posten. Sie versuchen eine positive Selbstwahrnehmung zu fördern, indem der eigene, unbearbeitete und reale Körper nicht nur akzeptiert, sondern aktiv bejaht wird. Die Fotos werden dann mit Hashtags ausgestattet, wie #facepositivity oder #nofilter, und veröffentlicht. Problematisch ist daran, dass oftmals auch Fotos unter diesem Label gepostet werden, die doch mit einem Beautyfilter versehen wurden und so wieder die Wahrnehmung dahin lenken diese Bilder als ‹natürlich› zu verstehen.[16]

Instagram: @ownitbabe

Bloggerin und Body Positive-Aktivistin Rini Frey stellt Selbstinszenierung mithilfe von Make-up und Bildbearbeitung auf Instagram in Frage. Bild: Rini Frey, Instagram @ownitbabe

Machen Beautyfilter krank?

Im Internet werden User_innen kontinuierlich mit Fotos konfrontiert, die Beautyfilter nutzen und einem ein ‹perfektes Äusseres› suggerieren. Solche Bilder können dazu führen, dass man sein eigenes Aussehen mit den Bildern vergleicht und in der Folge abwertet. Durch die Anwendung von Beautyfiltern auf das digitale Ich kann diesem Gefühl Abhilfe geschaffen werden und das Selbstwertgefühl kann temporär steigen.[17] In solchen Fällen besteht die Möglichkeit, dass sich der Blick an das manipulierte Bild gewöhnt. Die Selbstwahrnehmung verändert sich dann und das digitale Ich erscheint einem vertrauter als das reale Ich, das man im Spiegel sieht.[18] Filter, die einem makellose Haut, längere Wimpern und leuchtendere Augen auflegen, stehen in einem starken Kontrast zum eigenen realen Körper. Unter Umständen führt dies zu einer Ablehnung des eigenen Erscheinungsbildes. Die Folge können negative Emotionen, Unsicherheit und Depressionen sein.[19] Auch kann der Wunsch nach Optimierung in die reale Welt übertragen werden. So berichten plastische Chirurg_innen, dass es immer mehr Kund_innen gibt, die Schönheitsoperationen fordern, die die Merkmale der Beautyfilter auf den realen Körper implementieren. Hierfür wurde allgemein der Begriff Snapchat Dysmorphia geprägt.[20] Er beschreibt eine psychische Erkrankung, in der die betroffene Person ausgelöst durch Beautyfilter eine Wahrnehmungsstörung gegenüber ihrem eigenen Erscheinungsbild aufweist. Sie nimmt das eigene Äussere nur noch verzerrt negativ wahr. Unter Umständen können auch Essstörungen hierdurch begünstigt werden.[21]

Spark AR reagierte auf diese Entwicklungen, indem es seine Richtlinien änderte: Alle Beautyfilter, die die Gesichtszüge und das Aussehen so verändern, dass es einer Schönheitsoperation gleicht, z.B. geliftete Gesichtspartien und vollere Lippen, wurden laut einem Statement auf Facebook aus ihrem Sortiment gelöscht.[22] Problematisch ist daran, dass Spark AR nicht offengelegt hat, welche Kriterien für die Löschung angewendet wurden. So wurden auch Filter, wie Bad Botox und Plastica, gelöscht, die kritisch den Schönheitswahn thematisiert haben und beispielsweise OP-Markierungen und -wunden auf das Gesicht gelegt haben.[23]

…und was hat das alles mit Rassismus zu tun?

Als das Ergebnis des Schönheitswettbewerbs Beauty.AI bekannt gegeben wurde, löste dies eine Debatte darüber aus, ob künstliche Intelligenz rassistisch sei. Obwohl 6000 Menschen aus über 100 Ländern an dem öffentlich ausgeschriebenen Wettbewerb teilnahmen, hatten die 44 Gewinner_innen nahezu alle eine ‹hellere› Hautfarbe.[24] Die Jury, die die Gewinner_innen ausgewählt hatte, bestand aus einer künstlichen Intelligenz. Sie sollte dafür sorgen, dass nicht aufgrund menschlicher Präferenzen die Entscheidung gefallen, sondern ein vermeintlich ‹neutrales› Ergebnis errechnet wird. Die künstliche Intelligenz basierte auf der Deep-Learning-Technik, die ausgehend von grossen Fotodatensätzen mit einem Algorithmus darin enthaltene Gesichter analysierte, um diese wiederum mit denen der Bewerber_innen hinsichtlich bestimmter Schönheitsmerkmale zu vergleichen. Bereits diese Datensätze bestanden allerdings vornehmlich aus Bildern von Menschen, die einer weissen Norm entsprachen – welche auch die künstliche Intelligenz als Norm zu erkennen ‹lernte› – sodass diese Personen am Ende auch den Wettbewerb gewannen.[25]

Twitter @mangiferin

Twitter-Userin @mangiferin zeigt, wie ein Snapchat-Filter ihre Haut aufhellt und ihr Gesicht schmaler erschienen lässt. Bild: Twitter @mangiferin

Kritische Wissenschaftler_innen machten darauf aufmerksam, dass Technologien nicht neutral sein können – im Gegenteil: rassistische Denkstrukturen werden darin eingebettet und bereits die frühere Entwicklung von Kameras und Scannern basierte auf der Norm der hellen Haut. Was hat das aber mit Beautyfiltern zu tun? Das Beispiel führt vor Augen, dass Technologiefirmen über ihre Programmierung und Dateneinspeisung von künstlicher Intelligenz, wie zuvor beschrieben, auch Einfluss auf die Schönheitsideale nehmen. Die Mehrzahl der Bilder, die Menschen mit heller Haut zeigen sowie im Internet zirkulieren und Schönheit mitdefinieren, sind dieselben Bilder, die den Filtern als Grundlage dienen. Die Filter machen allen ein schmales Gesicht und eine schmale Nase, grosse Augen und hellere Haut. Hierdurch können Abwertungen verstärkt werden, die ein weisses Erscheinungsbild als ‹schöner› wahrnehmen lassen und die Abweichung ‹anderer› Erscheinungsbilder einerseits herstellen und andererseits negativ konnotieren. Oder drastischer ausgedrückt: Es werden hegemoniale Sichtbarkeiten reproduziert, die suggerieren, dass es erstrebenswert ist, weiss zu sein.[26]

Beautyfilter weisen aber auch dahingehend rassistische Züge auf, da sie auf weisse Menschen optimiert sind. Wenn somit Schwarze Menschen oder People of Colour einen Filter nutzen, ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass die Anwendung fehlerhaft verläuft.[27] BIPoC (Black and Indigenous People of Color) machen immer wieder auf diese Themen aufmerksam, setzen der problematischen Norm etwas entgegen und eignen sich über Social Media Sichtbarkeit an, wie beispielsweise Aminata Belli oder Moshtari Hilal es tun. Dabei geht es auch um positive Selbstbilder wie der Hashtag #blackgirlmagic zeigt, aber auch um Erfahrungsaustausch, Community Empowerment und kritische Diskussionen.[28]

Was gibt es noch zu bedenken?

Beautyfilter können das eigene Erscheinungsbild auf Fotos und Videos optisch optimieren. Hierdurch kann ein Zugehörigkeitsgefühl zu bestimmten Peer-Gruppen hergestellt werden, die diese Filter auch nutzen, und die gemeinsam auf Social-Media-Plattformen und Messenger-Diensten geteilt werden. Die Konformität durch Beautyfilter kann demnach Gemeinschaften stärken.

Gleichzeitig können Beautyfilter aber auch Abhängigkeiten schaffen und Menschen mit ihrem echten Erscheinungsbild unzufrieden machen, da es zu sehr von dem durch Filter optimierten Erscheinungsbild im Internet abweicht. Dazu kommt, dass die Filter gleichzeitig ein Produkt unserer visuellen Kultur sind, als auch diese formen, und wir die hiermit verbundenen Hauptnarrative, was z.B. als ‹schön› gilt, kritisch reflektieren müssen.

Es stellt sich somit die Frage, wie Beautyfilter genutzt werden sollten. Da sie keine Altersbeschränkung haben und von allen – Kindern, Jugendlichen, Erwachsenen – genutzt werden können, ist es sinnvoll, darüber nachzudenken, an welchen Stellen aufklärende medienpädagogische Angebote eingesetzt werden können, um die Vor- und Nachteile, ebenso wie die Zusammenhänge und die Konsequenzen von Beautyfiltern für das gesellschaftliche Miteinander zu adressieren und besser nachvollziehen zu können. Medienpädagogische Kampagnen auf Social Media könnten aufklären.

Auch könnte ein Schulfach eingeführt werden oder Workshops gegeben werden, die ebensolche neuen Phänomene untersuchen. Solche Angebote könnten einen kritischen und reflektierten Umgang mit Beautyfiltern fördern, ohne dabei die Technologien von vornherein zu verurteilen.